St. Petersburg – Für das Siegerfoto nach seinem ersten Profititel posierte Alexander Zverev stolz vor einer Deutschland-Fahne.
Dass sich der jüngste deutsche Turniergewinner seit Boris Becker im Anschluss an seinen überraschenden Triumph in St. Petersburg gerade vor einer schwarz-rot-goldenen Flagge ablichten ließ, dürften sie beim Deutschen Tennis Bund aufmerksam registriert haben. Schließlich ist das Verhältnis des 19-Jährigen zu seinem Geburtsland nicht immer einfach.
Im Sommer verzichtete Deutschlands große Tennis-Hoffnung zunächst auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, weil er sich «müde» fühlte. Dann sagte er für das Relegationsspiel im Davis Cup gegen Polen ab, weil die Begegnung in Berlin ihm nicht in den Turnierplan gepasst habe. Heftige Kritik von Verantwortlichen und Experten war die Folge.
Ein Liebesbeziehung zwischen Zverev, dessen Eltern 1991 aus Russland nach Deutschland kamen und der seit Jahren in den USA lebt, und dem deutschen Tennis ist es bislang wahrlich nicht. Nach seinem lustlosen Auftritt beim Turnier in Hamburg distanzierte sich selbst Mentor Michael Stich von dem 1,98 Meter großen Schlacks.
Doch Zverev macht einfach sein Ding – und das zumindest sportlich richtig gut. Zweimal hatte er in diesem Jahr bereits in Nizza und Halle in einem Endspiel gestanden. Doch mit dem ersten Turniersieg klappte es erst am Sonntag in St. Petersburg, wo er keinen Geringeren als US-Open-Champion Stan Wawrinka mit 6:2, 3:6, 7:5 niederrang.
«Ich weiß gar nicht, was gerade passiert ist», sagte Zverev nach dem verwandelten Matchball. «Einen besseren Ort für meinen ersten Sieg hätte ich mir nicht aussuchen können», kommentierte die deutsche Nummer eins mit Blick auf seine Eltern Alexander und Irena, die in ihrer alten Heimat gerührt auf der Tribüne mitjubelten.
Die Konkurrenz hat Zverev schon länger auf der Rechnung. «Er hat viel Potenzial und verdient gewonnen», sagte Wawrinka nach dem verlorenen Endspiel. Er habe das Potenzial, Grand-Slam-Turniere zu gewinnen, hatte der Tscheche Tomas Berdych nach seiner Halbfinal-Niederlage gegen Zverev schon gesagt.
In der Tat bringt der Australian-Open-Champion der Junioren von 2014 alles mit, um auch bei den ganz großen Turnieren zu triumphieren. Doch davon wollte der stets selbstbewusste Zverev am Sonntag nichts wissen. «Ich glaube, ich bin gut beraten, das auszublenden und weiter hart zu arbeiten. Und dann schauen wir mal, was passiert», sagte Zverev, der in der Rangliste seit Montag auf Platz 24 geführt wird, ungewohnt bescheiden.
Bis ganz nach oben ist es also noch ein Stück. Doch der Glaube, dass Zverev ein Großer werden kann, ist weiter gewachsen.
Fotocredits: Anatoly Maltsev
(dpa)