Melbourne – Für Serena Williams ist der Tag gekommen, um die Verhältnisse wieder zurechtzurücken. Schade nur, dass sie ausgerechnet gegen ihre Schwester Venus am Samstag den Australian-Open-Pokal und die Spitze der Tennis-Weltrangliste von Angelique Kerber zurückerobern will.
Doch weil dieses 28. Duell der Williams-Sisters 14 Jahre nach ihrem ersten Melbourne-Finale gegeneinander so unverhofft zustande kam, rückt das kleine Unbehagen in den Hintergrund. Und eine Niederlage wäre angesichts der Vorgeschichte leichter zu verkraften als vor einem Jahr gegen die diesmal früh gescheiterte Angelique Kerber.
«Es ist das eine Mal, bei dem ich wirklich echt denke: Egal, was passiert, ich kann nicht verlieren, sie kann nicht verlieren», sagte Serena Williams. Die 35-Jährige erinnerte an die Erkrankung der 36-jährigen Venus, die unter chronischer Erschöpfung litt und sich mühsam zurückkämpfen musste.
«Nach allem, was Venus durchgemacht mit ihrer Krankheit und so, kann ich nicht anders, als das als eine Win-win-Situation für mich zu sehen. Ich war die ganze Zeit da. Wir haben zusammengelebt. Ich weiß, was sie durchgemacht hat.» Nach ihrem Halbfinal-Sieg hatte Serena ihre große Schwester als ihre Welt und ihr Leben bezeichnet: «Sie bedeutet mir alles.»
Die Ältere war außer sich vor Freude nach dem schwer erarbeiteten Erfolg über Kerber-Bezwingerin Coco Vandeweghe und ein wenig reservierter, als es um das Endspiel ging. «Letztlich ist mein Hauptziel, mein Spiel durchzuziehen», erwiderte sie vor dem Familien-Duell. Gedanken an die Gegnerin auf der anderen Seite könne man haben, aber ausblenden, wenn man mental stark sei.
Kaum zu glauben, aber das erste Duell gegeneinander bestritten beide vor mittlerweile 19 Jahren an gleicher Stelle in der zweiten Runde – mit dem besseren Ende für Venus. «Ich war ein Kind, und im Herzen bin ich immer noch ein Kind», meinte sie. 2001 gewann Venus bei den US Open das erste von bislang acht Grand-Slam-Finals gegeneinander, in Wimbledon 2008 holte sie ihren bislang letzten von sieben Grand-Slam-Titeln im Einzel. Das bisher letzte große Endspiel im Sommer 2009 entschied Serena erneut in Wimbledon zu ihren Gunsten. Insgesamt führt sie 16:11 und 6:2 in Grand-Slam-Finals.
Vier dieser Siege feierte sie ab 2002 nacheinander bei den French Open, in Wimbledon, bei den US Open und in Australien. In Melbourne vollendete die damalige Tennis-Dominatorin ihren sogenannten Serena Slam und hatte alle vier Grand-Slam-Titel in ihrem Besitz. «Das war ein Finale royal», sagte Venus rückblickend auf ihr bislang einziges Endspiel in Melbourne. Draußen waren mehr als 40 Grad, das Dach der Rod-Laver-Arena schützte vor der sengenden Hitze, drinnen zitterte sich Serena zum 7:6 (7:4), 3:6, 6:4 und sicherte sich einen von 22 Grand-Slam-Titeln.
Mit dem 23. – davon dem siebten in Melbourne – würde sie endlich alleinige Rekordhalterin der Profi-Ära vor Steffi Graf. Es steht bei aller Schwesterliebe schon einiges auf dem Spiel für Serena Williams.
Fotocredits: Dita Alangkara
(dpa)