Düsseldorf – Eklat in Hamburg, Protest in Wolfsburg, Empörung in Köln – auf manchen Bundesligatribünen brodelt die Stimmung.
Der Ärger über das schlechte Abschneiden ihrer Teams oder über Entscheidungen des Video-Schiedsrichters sorgte am 23. Spieltag für Schlagzeilen. Weiterer Ärger droht beim ersten Montagsspiel (20.30 Uhr) zwischen Frankfurt und Leipzig. Vor allem ein übles Spruchband frustrierter HSV-Anhänger beim 1:2 gegen Leverkusen empörte: «Da wurde eine Grenze überschritten. Das können wir nicht tolerieren», klagte Sportchef Jens Todt, «uns fehlt jedes Verständnis, wenn Gewalt angedroht wird.»
«Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt», war auf einem Banner vor der Nordtribüne des Hamburger Volksparkstadions zu lesen. Damit spielten HSV-Ultras schon vor dem Anpfiff auf den kultigen Zeitmesser im Stadion an, der sekundengenau die Zeit des einzigen nie abgestiegenen Gründungsmitglieds in der Bundesliga zählt. Nach der 200. Heimniederlage des Liga-Dinos gab es gar Handgreiflichkeiten. Nur das konsequente Eingreifen der Sicherheitskräfte verhinderte einen Platzsturm aufgebrachter Zuschauer.
Die Drohung hinterließ bei der Mannschaft Wirkung – im negativen Sinn. Von Beginn an trat sie wie ein Absteiger auf und blieb zum zehnten Mal in Serie ohne Sieg. «Ich weiß nicht, was solch ein Plakat bezwecken soll. Wir sind eine junge Mannschaft», kommentierte Torschütze André Hahn.
Die Angst vor dem Sturz in die 2. Bundesliga veranlasste auch Wolfsburger Fans zu Protesten. 19 Minuten und 45 Sekunden mussten die Profis des 1945 gegründeten VfL beim 1:2 gegen den FC Bayern auf die Anfeuerung ihrer treuesten Anhänger verzichten. «Anspruchsvolle Fans suchen motivierte Mannschaft», stand auf einem Plakat. «Ohne Arbeit, ohne Fußball, ohne Leidenschaft = ohne uns» auf einem anderen. Immerhin schlug sich das Team gegen den Tabellenführer achtbar. Dennoch scheint Trainer Martin Schmidt bei nur noch einem Punkt Abstand zum Relegationsplatz 16 am kommenden Wochenende beim Drittletzten aus Mainz, seinem früheren Arbeitgeber, vor einem Endspiel um seine Zukunft als VfL-Trainer zu stehen.
Auch der künftige Wolfsburg-Gegner kämpft derzeit um die Gunst seiner Anhänger. Ein Plakat in der Mainzer Fankurve («Verarscht ihr uns, verarschen wir euch») gab die Stimmung wider. Der erste Auswärtssieg der Mainzer seit fast einem Jahr am Freitag in Berlin (2:0) trug immerhin zur Annäherung bei. Wie brüchig oder fest der Frieden ist, wird sich im Duell mit Wolfsburg zeigen. «Die Versöhnung mit den Fans geht nicht über Nacht. Das ist ein Prozess», sagte Kapitän Stefan Bell. «Wir wussten, dass wir wieder etwas gut zu machen haben.»
In Köln bekamen nicht die Profis, sondern Schiedsrichter Markus Schmidt die Wut der Fans zu spüren. Binnen Sekunden schlug die unbändige Freude über den vermeintlichen Last-Minute-Siegtreffer von Claudio Pizarro in Zorn um. Nach Intervention des Video-Assistenten Marco Fritz wurde der Treffer wegen einer Abseitsstellung aberkannt. Dass diese Entscheidung korrekt war, konnte den großen Ärger nicht mindern. «Es ist halt Wahnsinn», schimpfte Torhüter Timo Horn, «wenn man das nüchtern und sachlich analysiert, dann ist es einfach so, dass diese Entscheidungen ein Stück weit willkürlich getroffen werden. Mal ja, mal nein.»
Eine weitere in dieser Saison eingeführte Neuerung sorgt ebenfalls für Unfrieden. Denn die Entscheidung, erstmals mehrere Spiele am Montag durchzuführen, stößt bei vielen Fans auf massive Ablehnung. Zum Start in das neue Format beim Duell von Eintracht Frankfurt mit RB Leipzig wird massiver Widerstand erwartet. Die Frankfurter Fan-Vereinigung Nordwestkurve kündigte auf ihrer Internetseite an, «den Protest ins Stadion» zu tragen: «Wir müssen klar machen, was uns nicht passt. Macht den Verantwortlichen deutlich, was ihr von Montagsspielen haltet!»
Diese Entwicklung hält Matthias Ginter für bedenklich. Angesichts der Fan-Proteste, die zudem durch die Diskussion um die 50+1-Regel weiter zunehmen dürften, warnte der Nationalspieler vor einer Entfremdung zwischen Fußballern und Fans. «Wir sind schon an einem Punkt, wo die Abspaltung von den Fans gefährlich werden kann», sagte der Profi von Borussia Mönchengladbach in einem Interview der «Bild am Sonntag».
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(dpa)