Paris – Nein, Dominic Thiem ließ sich auch im Moment seines bislang größten Erfolges nicht locken.
Ob er denn nun bereit sei für den ersten Grand-Slam-Titel, wurde der Österreicher nach seiner beeindruckenden Vorstellung gegen Novak Djokovic gefragt. Schließlich hatte er soeben den Titelverteidiger der French Open in drei Sätzen deklassiert und vor ein paar Wochen ja auch Halbfinalgegner Rafael Nadal im Viertelfinale von Rom besiegt. Doch Thiem blieb seinem Naturell treu, widerstand der Verlockung, im Gefühl des Triumphes eine Kampfansage an Sandplatz-Titan Nadal zu schicken.
«Bisher habe ich im Match nach einem Sieg über einen Topspieler immer viel schlechter gespielt», sagte Thiem mit leiser Stimme. Wie eben zuletzt auch in Rom, als er nach dem Sieg gegen Nadal im Halbfinale gegen Djokovic mit 1:6, 0:6 unterging. «Ich hoffe, dass ich das verbessern kann.» Thiem ist abseits des Platzes kein Typ für große Sprüche. Während sein Kumpel Alexander Zverev viel forscher auftritt, bleibt Thiem stets bei sich – ruhig, sachlich, zurückhaltend.
Auf dem Court ist der 23-Jährige dagegen ganz anders. Da gibt es vom ersten bis zum letzten Ballwechsel nur ein Motto: Volle Pulle. Am Mittwoch schlug er Djokovic die Bälle mit einer solchen Wucht um die Ohren, dass der zu den laufstärksten Spielern auf der Tour gehörende Weltranglisten-Zweite am Ende nur noch resigniert abwinkte. Den Matchball verwandelte Thiem mit einem wuchtigen Rückhand-Passierball.
Auf der Tribüne verfolgte sein Coach Günter Bresnik, von der Zeitung «L’Equipe» während des Turniers mit dem schönen Spitznamen «Maitre Günter» porträtiert, zufrieden das Geschehen. Die harte Arbeit, die das Duo seit Jahren leistet, zahlt sich immer mehr aus.
Dabei waren die Anfänge nicht einfach. Als Bresnik, einst auch Kurzzeitcoach von Boris Becker, Thiem in jungen Jahren übernahm, krempelte er dessen Spiel erst einmal komplett um. Aus dem defensiven Thiem sollte ein mutiger, offensiv denkender Spieler werden.
Die beidhändige Rückhand verbot er dem jungen Thiem schon während der ersten Trainingseinheiten, das moderne Tennis erfordere eine einhändig geschlagene Rückhand. «Zunächst habe ich nach der Umstellung jedes Spiel verloren», erinnerte sich Thiem dieser Tage.
Inzwischen zählt der Schlag zu seinen besten, hat sich Thiem auch deshalb fest in den Top Ten etabliert. «Die Dominic-Thiem-Methode», wie Bresnik sein Buch über die Zusammenarbeit mit Thiem genannt hat, trägt immer mehr Früchte.
In seiner Heimat erlebt der Tennissport dank Thiem längst einen Boom. Als «Wunder-Thiem», bezeichnete ihn das Boulevard-Blatt «Österreich» am Donnerstag vor dem Halbfinale gegen Nadal am Freitag. Das andere Vorschlussrunden-Duell bestreiten der Brite Andy Murray und Stan Wawrinka aus der Schweiz.
«Meine Hochachtung, was er leistet, ist unmenschlich», ließ Ski-Ikone Hermann Maier über die Tagszeitung «Krone» ausrichten. Und auch Fußball-Nationaltrainer Marcel Koller gratulierte. «Wir Fußballer können uns von ihm einiges abschauen», sagte Koller über Thiem, der selbst seinen eigenen Fußball-Verein, den Tennis- und Fußballclub Matzendorf, besitzt.
Fußballprofi wollte er aber nie werden, für Thiem gab es immer nur Tennis. Und von klein auf ein einziges großes Ziel: «Die French Open zu gewinnen, wäre wahrscheinlich der größte Traum meiner Karriere», sagte der Österreicher im Vorfeld des diesjährigen Turniers. Der letzte österreichische Paris-Champion war Thomas Muster 1995. Thiem war damals noch keine zwei Jahre alt.
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(dpa)