Montreal – Den Moment seines nächsten Coups vor den US Open genoss Deutschlands neuer Tennis-Star Alexander Zverev mit seinen größten Förderern.
Glücklich strahlend nahm der 20-Jährige nach seinem Final-Triumph in Montreal über sein Idol Roger Federer neben seinen Eltern auf einem schwarzen Ledersofa Platz – und präsentierte sich mit seinem gesamten Team. Noch auf dem Center Court hatten ihn die Ballkinder begeistert umzingelt. Der Wert ihres Erinnerungsfotos steigt möglicherweise schon bald an: Mit seinem zweiten Masters-Titel in diesem Jahr hat sich Zverev endgültig in die Rolle eines Mitfavoriten für das Grand-Slam-Event in New York gespielt.
«Die Zukunft hat begonnen», schrieb Tennis-Legende Boris Becker, vor 31 Jahren zuvor letzter deutscher Sieger in Montreal, auf Twitter und zeigte sich beeindruckt von Zverevs souveränen 6:3, 6:4 über den 19-maligen Grand-Slam-Gewinner Federer: «Wunderbar».
In zwei Wochen startet in New York das letzte Grand-Slam-Turnier der Saison. Der junge Hamburger dürfte hinter Australian-Open- und Wimbledonsieger Federer sowie French-Open-König Rafael Nadal als ein Titelkandidat gehandelt werden. Schließlich taucht das Toptalent in der neuen Weltrangliste als Siebter noch einen Rang besser auf als zuletzt. In der Setzliste für die US Open wird er nach oben klettern, weil Novak Djokovic und Stan Wawrinka verletzt nicht antreten werden.
«Ich spiele momentan das beste Tennis meines Lebens. Es fühlt sich nicht an, als ob sich die Dinge unnatürlich entwickeln. Ich denke, alles läuft ziemlich natürlich», sagte Zverev. Im Moment passiert allerdings alles relativ schnell. Nach Washington feierte er seinen zweiten Titel innerhalb einer Woche und seinen zweiten bei einem Master-Turnier nach seinem Erfolg in Rom im Mai.
Erstaunlich selbstverständlich nimmt der jüngere der Zverev-Brüder mittlerweile selbst Endspiel-Herausforderungen gegen Topstars wie Federer an. Als Deutschlands größtes Tennis-Versprechen seit langem, als Star der Zukunft, als künftige Nummer eins wird er seit ein paar Jahren gehandelt. Bei den Grand-Slam-Turnieren ist der Weltrangliste-Siebte den Beweis bislang aber schuldig geblieben.
Seit seinem Achtelfinal-Aus in Wimbledon scheint Zverev jedoch an Souveränität gewonnen zu haben. Mit seinem neuen Trainer Juan Carlos Ferrero ist er unbesiegt. «Ich freue mich, dass er sein Tennis nicht nur auf das nächste Level gebracht hat, sondern um zwei Level angehoben hat», sagte der 36 Jahre alte Federer, der Schmerzen von der Belastung auf Hartplatz spürte.
In nur 68 Minuten hatte Zverev den Weltranglisten-Dritten im Duell der Tennis-Generationen besiegt. Wie der Schweizer hat der Norddeutsche nun fünf Turniere in diesem Jahr gewonnen, Federer hat allerdings zwei Grand-Slam-Erfolge auf seiner Habenseite.
Beide eint, dass keiner ihnen vor der Saison so recht zugetraut hätte, so aufzutrumpfen. Mit Zverev war nicht in dem Maße zu rechnen, weil er erst 20 Jahre alt ist. Mit Federer nicht, weil er ein halbes Jahr verletzt ausgesetzt hatte. Nun sind sie in der Jahreswertung die Nummern zwei (Federer) und drei (Zverev) und gemeinsam mit dem Führenden Nadal die dominierenden Profis in 2017.
Der Rekord-Grand-Slam-Sieger wetteifert in Cincinnati nun um die Spitzenposition in der Weltrangliste. Entweder der 36-Jährige oder der fünf Jahre jüngere Spanier Nadal werden Andy Murray in einer Woche ablösen. Federer muss dafür mindestens genauso weit kommen wie sein Dauerrivale.
Ganz oben möchte auch Zverev in der Zukunft stehen. Mit dem Sieg in Montreal hat er seinem Vorbild immerhin schon einen Erfolg voraus.
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(dpa)